Neulich kam meine Frau ums Eck. Für eine Schülerin, die zunehmend erblindet, wollte sie Übungsmaterialien in Brailleschrift erstellen. Aber irgendwie ist das gar nicht so einfach.
Wenn man nicht Unsummen an Geld investieren möchte ist es wohl am einfachsten, Brailleschrift mit einer Schablone von Hand zu prägen. Hier ein Bild.
Die Schablone
Die Schablone ist ein Plastik-Ding zum Aufklappen. Im oberen Teil (den man im Bild hauptsächlich sieht) sind Löcher drin, im unteren Teil (den man nur auf der linken Seite erahnen kann) sind kleine Kuhlen. Wenn man den oberen und den unteren Teil auseinanderklappt, kann man ein Papier dazwischenlegen und dann mit einem Stößel durch die Löcher bis in die Kuhlen so kleine, schöne, runde Dellen reinprägen. Am oberen Ende vom Bild hab ich ein paar Beispiel-Dellen geprägt.
Die Löcher und Kuhlen sorgen dafür, dass die Abstände immer schön gleichmäßig und die Dellen schön rund sind, weil die müssen ja nachher ertastet werden.
So weit, so einfach. Das Problem war jetzt nur, dass man irgendwie wissen müsste, welche Dellen eigentlich zu prägen sind. D.h. wie komme ich am schnellsten vom Wort “Braillemaschine” zu den Dellen, die ich prägen muss?
Der Prägevorgang
Um als ziemlicher Braille-Laie ein Wort zu prägen bin ich so vorgegangen:
- Buchstabe B bei Wikipedia nachschauen: ⠃
- Weil es ein Großbuchstabe ist, muss man noch das entsprechende Zeichen davormachen: ⠨
- Zusammensetzen: ⠨⠃
- Das ganze in Spielgelschrift umwandeln, weil man ja die Dellen prägt, aber die andere Seite des Papiers nachher gelesen wird (also die Hügel). Dabei beachten, dass ich nicht nur die Reihenfolge der Zeichen umdrehen muss, sondern auch jedes einzelne Zeichen gespiegelt werden muss: ⠘⠅
- Prägen
- So weitermachen mit allen anderen Buchstaben.
Puh! Das Braille-Ding war schon schwierig. Das mit der Spiegelschrift hat mich völlig fertig gemacht, ich bin grandios gescheitert.
Eine Internet-Recherche zu diesem Thema hat erschreckend wenig geliefert. Nach längerer Suche bin ich auf eine einzige Stelle gestoßen, die mir hätte helfen können. Das war der Brailleschrift Konverter von filoo. Leider habe ich den auch nicht verstanden. – Keine Hilfe also.
Die Braillemaschine: Normal nach Braille
Was ich brauchte war was einfaches! Was niederschwelliges! Also hab ich versucht das selber zu machen. So ist die Braillemaschine entstanden. Mit ihr konnte ich jetzt plötzlich ganz einfach die Übersetzung vornehmen und gleich auch noch die frickelige Spiegelung machen:
Wort in die Braillemaschine eingeben:
Papier in die Schablone rein:
Prägen. Und zwar kommt jetzt das was die Braillemaschine als Spiegelschrift ausgibt in die oberste Zeile der Schablone rein und klarerweise von rechts nach links.
Schablone öffnen:
Blatt entnehmen und Rückseite bewundern. Man sieht hier auch ein bissle, dass die Hügel doch nicht so superrund sind. Das liegt allerdings nur an meinem Papier.
Der Debrailler: Braille nach Normal
Natürlich hat es dann nicht so lange gedauert, bis ich auch mal lesen wollte, was irgendwo steht. So entstand dann auch noch der Debrailler.
Beim Debrailler hab ich mir ein paar Gedanken dazu gemacht, wie ich die Punkte eigentlich am besten eingebe. So ist die Lösung entstanden, mit der man entweder die Punkte antippen kann (für Nutzung auf dem Handy) oder eben über den Nummernblock eingeben kann. Ich gebe allerdings zu, dass die Bedienung ziiiiemlich gewöhnungsbedürftig ist.
Was habe ich gelernt?
Mal wieder sehr vieles. Hier sind meine Top-Ahas:
- Es gibt eigentlich gar nicht “die” Brailleschrift. Vielmehr gibt es viele Varianten, die mit zunehmender Komprimierung auch immer komplexer werden. In der Basisschrift ist im Wesentlichen jeder Buchstabe ein Braillezeichen. Kommen noch die Braille-Sonderzeichen hinzu, die Großbuchstaben und Zahlen ankündigen. In der Vollschrift werden häufige Doppellaute, z.B. “ei” durch ein einzelnes Braillezeichen abgebildet. Die Kurzschrift schließlich komprimiert noch mehr und fasst nach einem komplizierten Regelsystem auch drei oder mehr Buchstaben in einem einzigen Braillezeichen zusammen. Alleine schon eine vollständige Doku oder Spezifikation für die Kurzschrift zu finden gelang mir nicht wirklich. Das habe ich dann auch nicht mehr implementiert.
- Braille ist sprachspezifisch. Ich habe mich mit der Deutschen Brailleschrift beschäftigt. Da es in anderen Sprachen andere Zeichensätze gibt, muss natürlich auch die Abbildung auf die Braillezeichen anders sein.
- Schriftart. Ich habe hin- und herüberlegt, wie ich denn die Braillezeichen im Browser anzeigen möchte. In meiner Recherche habe ich Lösungen gefunden, in denen eine neue, eigene Schriftart ausgeliefert wird, in der dann bspw. der Buchstabe “b”, sobald ich ihn in dieser Schriftart formatiere, wie ein Braille-“b” ausschaut, also so: “⠃”. Das hat den Vorteil, dass ich Text mit einer normalen Tastatur bswp. mit Arial-Schrift schreiben kann. Dann muss ich von geschriebenen Text nur die Schriftart ändern und es wird Braille draus. Die folgenen Argumente haben mich davon abgehalten, das zu tun:
- So eine Schriftart müsste ich erstmal bauen, und ich müsste sie auf der Webseite einbinden.
- Text der in dieser Schriftart geschrieben ist, könnte niemals per Copy/Paste in ein Textverarbeitungsprogramm o.ä., in dem es diese Schriftart nicht gibt, übernommen werden, denn dort würde ja automatisch eine Ersatzschriftart gewählt, die natürlich ganz anders aussieht.
- Ich habe gelernt, dass es im Unicode-Standard bereits einen Bereich gibt, der für Braillezeichen vorgesehen ist. Das heißt allerdings nicht, dass diese Braillezeichen in allen Geräten automatisch schön dargestellt werden. Insbesondere im mobilen Safari war das echter Mist.
- Braille ist eine Nische. Es gibt wirklich erschreckend wenige Tools da draußen, die beim Umgang mit Braille unterstützen. Was ist zum Beispiel gar nicht gefunden habe ist sowas wie ein Lernprogramm.
Und jetzt?
Bitte braillern und debraillern Sie! Und bedenken Sie bitte stets, dass Sie keine Texte übersetzen, durch die in irgendeiner Weise Schäden entstehen können. Ich kann für die Richtigkeit der Maschinchen keine Haftung übernehmen.